schicksale

Ohne Elternhaus, ohne Mutterliebe

Johannes’ Mutter stirbt bei seiner Geburt im Jahre 1935 in Schlesien. Der Vater heiratet wieder, die Stiefmutter mag die beiden Geschwister nicht, ist hart, schlägt sie. Schließlich kommen sie ins Waisenhaus. Die Zeit im Waisenhaus wird als positiv erinnert, er ist gerne dort. Später Ausbildung zum Schreiner mit wechselnden Anstellungen in diesem Beruf. Er hat nie geheiratet, hat auch keine Kinder. Zur Schwester gibt es noch losen Kontakt (in NRW), sie ist verheiratet, hat Kinder und Enkelkinder.

Auf seinen Wanderungen kommt er nach Heidelberg, ist bald völlig integriert in die Berber-Szene der Stadt, ist inzwischen längst alkoholabhängig, ist obdachlos und schläft irgendwo, schiebt Wache bei den Straßendirnen in der Nähe des Hauptbahnhofs, legt sich mit der Polizei an, der er angeblich eine Pistole entwendet, was ihm den Spitznamen „Bobby“ einträgt. Er erfindet fantastische Geschichten über seine familiäre Herkunft – sein Vater soll z. B. der schwerreiche Sektfabrikant Matheus Müller aus Eltville sein.

Die „trockenen“ Phasen, in denen er arbeitet und Geld spart, werden immer kürzer, häufig unterzieht er sich Entziehungskuren. Bis vor wenigen Jahren hat er ständig wechselnde Frauenbeziehungen, durch die seine ansehnlichen Ersparnisse innerhalb von Tagen dahin schmelzen.

Inzwischen hat er 4 Bypässe und es verfolgt ihn eine ständige Angst vor dem Sterben; den übermächtigen Drang zum Alkohol bezeichnet er als seinen „Teufel“, der ihn zum Trinken zwingt.

Johannes konnte ganz Kavalier sein. An Weihnachten und zu den Geburtstagen seiner Betreuer im Verein kam er mit Blumen oder Pralinen. Er konnte aber auch ordinär sein und sie unflätig beschimpfen.

Inzwischen musste Johannes sein Zimmer bei OBDACH e.V. aufgeben und in ein Hospiz umziehen. Er ist dort kein einfacher Patient. Es ist nicht nur das Alter, das ihn so unleidlich hat werden lassen, sondern die Einsamkeit und die Angst vor dem Ende.

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